VOM REISEN UND VOM SPEISEN N°1 – Der Spargel

Spargel in Kiste

„Der Spargel ist wahrlich der König aller Gemüse; bedauerlich nur, dass seine Herrschaft so kurz währt.“

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Für alle Liebhaber des Spargels hat die 5. Jahreszeit begonnen. Von Mitte April bis zum Johannistag am 24. Juni ist Erntezeit. Der Volksmund sagt: „Bis Johanni nicht vergessen: sieben Wochen Spargel essen.“ Ob grün oder weiß, Spargel ist ein Gedicht! Seit Jahrhunderten bringt das Königsgemüse Dichter und Denker zum Schwärmen. Mich inspiriert es, neben der klassisch deutschen Zubereitungsart (weißer Stangenspargel mit Sauce Hollandaise, Frühkartoffeln und Schinken), auch mit anderen Kombinationsmöglichkeiten zu experimentieren. Als Crossover Küche unter dem Motto: „Gut ist, was gut schmeckt – Fusion Food ohne Einschränkungen!“ Mein Spargel-Erdbeer-Rucola-Salat mit Feta kombiniert den grünen deutschen Spargel und die heimischen Erdbeeren mit Italo-inspiriertem Rucola, Olivenöl-Balsamico-Dressing und Feta. Ein herrlich einfach und schnell zubereiteter Salat, der in den Farben der Bandiera d’Italia auch noch hübsch anzusehen ist. Anders als bei Thomas Mann gibt es bei mir die Erdbeeren in der Vorspeise.

Spargel, Erdbeeren und Tomaten

„Zum Dinner Spargelsuppe, Hummer und Erdbeeren mit Creme“

Thomas Mann (1875-1955)

Der Literatur-Nobelpreisträger war dem edlen Gemüse verfallen und hielt seine Begegnungen mit dem Spargel sogar in seinen Tagebüchern fest. Viele seiner Verwandten gehörten ebenfalls zur Spargel-Fanbase. So postete im Mai 2020 das Lübecker Buddenbrookhaus auf Facebook ihr neuestes Fundstück: ein Rezept für einen Spargelauflauf aus der Zeit um ca. 1880-1890. Es stammt aus dem Kochbuch von Auguste Mann, einer Cousine von Thomas Mann. Klingt interessant, aber sicher nicht so gut wie mein Salat:

Italo-Deutscher Spargel-Erdbeer-Rucola-Salat mit Feta

Zutaten: Pro Person eine Handvoll Rucola, 2-3 Stangen grüner Spargel, 5-6 kleine Erdbeeren, 2 EL Feta

Dressing: 6 EL hochwertiges Olivenöl, 4 EL Aceto Balsamico Tradizionale DOP (alternativ Aceto Balsamico di Modena IGP), 0,5 TL Salz, Pfeffer aus der Mühle, 1 Prise Zucker. Das Dressing mengenmäßig an die Anzahl der Portionen anpassen.

Zubereitung: Rucola waschen, trockenschleudern und ggf. untere Enden abschneiden. Spargel mit Wasser abspülen, holzige Enden abschneiden und unteres Drittel bei Bedarf schälen. In mundgerechte Stücke schneiden und in einem Topf mit Salzwasser bissfest kochen, in einem Sieb kurz abschrecken und abtropfen lassen. Die Erdbeeren waschen und je nach Größe vierteln oder halbieren. Dressing zubereiten. Rucola mittig auf Tellern verteilen, Erdbeeren auf den Rucola legen, Spargel am Tellerrand dekorativ verteilen. Alles mit dem Dressing beträufeln. Feta über den Salat krümeln. Ein paar Spritzer Balsamico über den Feta geben. Eignet sich hervorragend als Vorspeise. Dazu Baguette servieren.

Echt wahr – No Fake News über den Spargel:

1.) Powergemüse zum Abnehmen – Spargel besteht zu 94 % aus Wasser und ist sehr kalorienarm.

2.) Spargel wirkt harntreibend, er entwässert und hilft gegen Blasenentzündungen.

3.) Der hohe Gehalt an Kalium ist günstig bei hohem Blutdruck.

4.) Spargel stärkt das Immunsystem. Vitamin A, C und E sowie Folsäure stecken in großen Mengen im Spargel. Eine Portion von 500 Gramm Spargel deckt bereits 80 Prozent des Tagesbedarfs an den Vitaminen C und E und fast die Hälfte des Folsäure- und Kaliumbedarfs.

5.) Der Ballaststoff Inulin dient den guten Darmbakterien als Nahrung und beeinflusst dadurch die Darmflora positiv.

6.) Grüner Spargel ist noch gesünder als der weiße. Er enthält mehr Vitamin A. Der weiße Spargel wächst unter der Erde und wird sofort gestochen, wenn der Kopf durch die Erde stößt. Der grüne Spargel wächst hingegen über der Erde und reift erst durch die Sonnenstrahlung, dadurch bekommt er auch seine schöne Farbe.

7.) Nur Gichtpatienten müssen Maß halten: Im Spargel stecken relativ viele Purine, die im Körper zu Harnsäure umgewandelt werden und Gichtanfälle auslösen können (Fleisch enthält noch mehr Purine).

Spargel in Schüssel

Wie viel Spargel pro Person? Da hilft der Spruch einer holsteinischen Marktfrau, den man sich merken sollte: „Jeder Mund ein Pfund.“ Mit gutem Gewissen darf man so viel essen, denn Spargel hat insgesamt nur 17 Kalorien pro 100 Gramm; Dann darf die Sauce ruhig auch ein bisschen mehr haben. Meine Schnittlauchcrème für Spargel ist wegen des Specks eher alpin inspiriert und mit der Schlagsahne und Crème fraîche deftig. Sie passt hervorragend – auch ohne Spargel- zu Frühkartoffeln.

„Ich glaube, es ist niemand so besessen vom Spargel wie die Deutschen.“

Isabelle Schlegel

Alpine Schnittlauchcrème für Spargel

Zutaten: 200 Gramm durchwachsener Speck, 40 Gramm Butter, 2 TL Mehl, 250 ml Schlagsahne (oder Cremefine), 400 Gramm Crème fraîche (oder Crème légère ist gut möglich), 3 Bund Schnittlauch, 4 Eigelb, 80 Gramm Parmesan frisch gerieben

Zubereitung: Speck ohne Schwarte sehr fein würfeln, langsam in Butter knusprig anbraten. Ein Drittel davon aus der Pfanne nehmen und auf Küchenkrepp abtropfen lassen. Das Mehl über den Speck in der Pfanne stäuben und anschwitzen. Sahne & Crème fraîche dazu gießen, gut durchrühren und ohne Deckel bei großer Hitze in 5 Minuten cremig einkochen.

Den Schnittlauch fein schneiden, 2 EL davon beiseitestellen. Eigelb mit etwas heißer Specksauce verquirlen. Die Pfanne vom Herd nehmen, das Eigelb unterrühren. Die Sauce warmhalten, Schnittlauch und Parmesan unterrühren. Die Sauce abschmecken (Salz, Pfeffer…) und etwas über den Spargel geben, den Rest getrennt servieren.

Selbst dem Sprachvirtuosen und Erfinder von „Max und Moritz“ wollte einfach kein passender Reim auf „Spargel“ einfallen. Doch wollte Wilhelm Busch in seinem Hauptwerk „Die fromme Helene“ der gleichnamigen Protagonistin genau das auf ihrer Hochzeitsreise servieren. Deswegen zog er sich mit dem oben genannten Vers geschickt aus der Affäre. Und statt einer frommen „Birne Helene“ gibt es bei mir einen deftigen „Strammen Spargel-Max“ ohne Moritz:

„Denn Spargel, Schinken, Koteletts sind doch mitunter auch was Netts.“

Zitat aus „Die fromme Helene“ von Wilhelm Busch (1832-1908)

Strammer Spargel-Max mit grünem Dip

Zutaten (für 4 Personen): 1 Bund gemischte Kräuter (circa 200 Gramm, z.B. Schnittlauch, Petersilie, Kresse, Kerbel, Sauerampfer), 200 Gramm Schmand (Den gibt es in Österreich und der Schweiz nicht. Am besten stattdessen Sauerrahm und Crème fraîche zu gleichen Teilen mischen), 1-2 EL Zitronensaft, Salz, Pfeffer, Zucker, circa 16 Stangen weißer Spargel (650 Gramm), 4 Scheiben Bacon, 1 EL Olivenöl, 4 Scheiben Bauernbrot, 4 Eier

Zubereitung: Für den grünen Dip die Kräuter waschen, Blätter abzupfen und kleiner schneiden (bisschen Schnittlauf zum Bestreuen weglegen). Mit Schmand und 1 EL Zitronensaft in einem hohen Rührbecher mit dem Stabmixer fein pürieren. Den Dip mit Salz, Pfeffer und etwas Zitronensaft abschmecken und zugedeckt kaltstellen. Den Backofengrill auf 250°C vorheizen. Spargel schälen, die Enden abschneiden. Die Stangen in kochendem Salzwasser mit 1TL Zucker circa 5 Minuten vorgaren. Bacon in einer Pfanne ohne Fett circa 5 Minuten knusprig braten. Vorgegarten Spargel auf eine Hälfte des Backblechs legen und mit dem Olivenöl beträufeln. Im Backofen auf der zweiten Schiene von oben 10 Minuten grillen, den Spargel nach 5 Minuten wenden und Brotscheiben danebenlegen und rösten. Speck aus der Pfanne nehmen und auf Küchenkrepp abtropfen lassen. Die Eier im verbliebenen Speckfett zu Spiegeleiern braten. Röstbrot mit grünem Dip bestreichen. Spargel, Spiegelei und Bacon darauf anrichten. Mit Schnittlauf bestreuen und servieren.

„Ein Liebchen ist der Zeitvertreib, auf den ich jetzt mich spitze. Sie hat einen gar so schlanken Leib und trägt eine Stachelmütze.“

Johann Wolfgang von Goethe

Der Dichterfürst war ein großer Gartenfreund und stach den Spargel sogar selbst. Gelernt hatte er das von seinem Vater, der seine Spargelreihen „mit großer Sorgfalt gepflanzt und gehortet“ hatte. Johann Wolfgang von Goethe sandte seiner Geliebten voller Stolz die ersten selbstgestochenen Stangen. Wie passend, wurde der Spargel doch schon im antiken Rom als Aphrodisiakum verehrt, nicht zuletzt aufgrund seiner Phallusform. Spargel kurbelt die Produktion der Geschlechtshormone bei Mann und Frau an und hat dadurch direkten Einfluss auf die Steigerung der Libido. Ob Goethe das wusste? Im Frankreich des 19. Jahrhunderts gab es jedenfalls die Tradition, dass ein Bräutigam große Mengen Spargel verzehrte, um für die Hochzeitsnacht gewappnet zu sein. Ein Brauch, auf den sich vielleicht auch Heinrich Heine in einem Gedicht bezieht:

„Es kommt der Lenz mit dem Hochzeitgeschenk,

Mit Jubel und Musizieren,

Das Bräutchen und den Bräutigam

Kommt er zu gratulieren.

Er bringt Jasmin und Röselein,

Und Veilchen und duftige Kräutchen,

Und Sellerie für den Bräutigam,

Und Spargel für das Bräutchen.“

Heinrich Heine (1797-1856)

Abgepackter Spargel

Als Henkersmahlzeit ließ Bertolt Brecht seinen Helden Mackie Messer nach Spargel verlangen. Durchaus eine sehr politische Entscheidung des Dramatikers, denn das Gemüse galt als besonders elitäre und kostspielige Delikatesse.

„Scheint mir aber doch etwas holzig zu sein, der Spargel!“

Zitat aus einer Aufführung der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht (1898-1956)

Fun Fact: Das Berliner Ensemble wollte früher aus Kostengründen nicht für jede Aufführung der Dreigroschenoper frischen Spargel zubereiten und nutzte täuschend echt aussehende, aus Holz geschnitzte Stangen. Die polterten einmal bei einer Aufführung alles andere als butterweich über die Bühne. Woraufhin der Darsteller des Mackie Messer spontan den oben zitierten Satz fallen ließ.

Man könnte jetzt noch darüber sinnieren, warum eine 2012 erschienene Studie über „Das Frauenbild Theodor Fontanes und das heutige [Frauenbild]“ ausgerechnet den Titel „Und abends (zum Spargel) kommt mein Mann“ trägt. Der beste Spargel kommt jedenfalls aus Bayern. Aus der Spargelstadt Schrobenhausen, wo sich das Europäische Spargelmuseum befindet, in seiner Art immer noch einmalig in Europa. „Der Stolz über den Boden sprießt mit den Köpfen aus dem Erdreich“ und der Kunde ist sich sicher: Unserer ist der Beste. In jeder Region ist für die jeweiligen Verbraucher ihr heimischer Spargel der Beste. Er ist schlicht der frischeste.

„Kultur begann mit dem Kochen“ Gunther Hirschfelder

Der Spiegel GESCHICHTE (N°1/2019) „Revolutionen, Kriege, Entdeckerfahrten. Wie Essen die Welt prägte“ S. 15

Mein Interesse für Kultur im weitesten Sinne erstreckt sich auch auf das Thema Esskultur. Meine Leidenschaft für gutes Essen, aber auch fürs Kochen, passt hervorragend dazu. Auf meinen Reisen bekomme ich dafür Inspirationen. In loser Folge werde ich kulinarische Themen in meinem BLOG aufgreifen, unter dem Motto „VOM REISEN UND VOM SPEISEN.“

Dieser BLOG wurde inspiriert von:

Magazin LECKER Mai 2022 (N°5/2022) „Aber bitte mit Sauce. Die BESTEN Spargelfreunde: von Kräuter-Dip über Zitronenschaum bis vegane Hollandaise“

https://www.gefro.de/blog/spargel-das-koenigliche-gemuese-hat-endlich-wieder-saison/

https://www.br.de/kultur/spargel-loblied-zur-saison-goethe-brecht-proust-und-co-100.html

https://museen-schrobenhausen.byseum.de/de/spargelmuseum

https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/koenigin-der-gemuese-die-maer-vom-besten-spargel-/13521014.html